Scheidung – und jetzt? Wertermittlung von Immobilien

by Kuusler Immowert
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Bei einer Scheidung gehört die Vermögensaufteilung zu den komplexesten und oft auch emotionalsten Themen. Das deutsche Familienrecht sieht dafür klare Regelungen vor, die sich nach dem Güterstand richten, in dem ein Ehepaar lebt. Besonders der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft und die damit verbundene Wertermittlung für den Zugewinnausgleich stellen viele Betroffene vor Herausforderungen.

Das eheliche Güterrecht nach BGB

Das eheliche Güterrecht ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in den §§ 1363 bis 1563 geregelt und bestimmt die vermögensrechtlichen Beziehungen der Ehepartner zueinander2. Es definiert, wie Vermögenswerte während der Ehe behandelt werden und was bei einer Beendigung der Ehe durch Scheidung oder Tod geschieht. Das BGB kennt verschiedene Güterrechtsformen: den gesetzlichen Güterstand und die vertraglichen Güterstände2.

Da im ehelichen Güterrecht Vertragsfreiheit herrscht, können Eheleute durch einen Ehevertrag individuelle Vereinbarungen über ihre vermögensrechtlichen Verhältnisse treffen oder einen der vom BGB vorgesehenen vertragsmäßigen Güterstände vereinbaren2. Ohne eine solche Vereinbarung gilt automatisch der gesetzliche Güterstand – die Zugewinngemeinschaft.

Die drei Güterstände im Überblick

Zugewinngemeinschaft

Die Zugewinngemeinschaft ist der gesetzliche Güterstand, in dem Ehepaare automatisch leben, sofern sie keinen Ehevertrag abgeschlossen haben3. Entgegen dem missverständlichen Namen bleiben während der Ehe die Vermögensmassen der Ehepartner vollständig getrennt2. Jeder Partner bleibt Eigentümer seines Vermögens und kann darüber weitgehend frei verfügen. Der Ausgleich des während der Ehe erwirtschafteten Zugewinns erfolgt erst bei Beendigung des Güterstands3.

Gütertrennung

Bei der Gütertrennung bleiben die Vermögen der Ehegatten nicht nur während der Ehe, sondern auch nach deren Beendigung vollständig getrennt. Es findet kein Zugewinnausgleich statt. Dieser Güterstand muss durch einen Ehevertrag explizit vereinbart werden2.

Gütergemeinschaft

In der Gütergemeinschaft werden die Vermögen beider Ehegatten zu einem gemeinschaftlichen Vermögen zusammengeführt. Auch dieser Güterstand muss in einem Ehevertrag festgelegt werden und kommt in der Praxis eher selten vor2.

Die Zugewinngemeinschaft im Detail

Die Zugewinngemeinschaft beginnt mit dem Tag der standesamtlichen Eheschließung5. Während der Ehe leben die Ehepartner faktisch in einer Art Gütertrennung – jeder Partner verwaltet sein Vermögen selbstständig und haftet grundsätzlich nur für eigene Schulden3. Lediglich in bestimmten Fällen ist die Zustimmung des Ehepartners erforderlich, etwa wenn ein Ehegatte sein Vermögen im Ganzen oder Gegenstände des ehelichen Hausrats veräußern möchte2.

Der entscheidende Unterschied zur Gütertrennung zeigt sich erst bei Beendigung der Ehe. Dann wird ein Ausgleich des während der Ehe erwirtschafteten Zugewinns vorgenommen2. Der Zugewinnausgleich basiert auf dem Grundgedanken, dass beide Ehepartner zu gleichen Teilen am wirtschaftlichen Erfolg der Ehe teilhaben sollen, unabhängig davon, wer das Vermögen tatsächlich erwirtschaftet hat.

Anfangsvermögen in der Zugewinngemeinschaft

Das Anfangsvermögen ist ein zentraler Begriff für die Berechnung des Zugewinns. Es bezeichnet das Vermögen, das einem Ehegatten zum Zeitpunkt der Eheschließung gehört5. Der Stichtag für die Ermittlung des Anfangsvermögens ist der Tag der standesamtlichen Eheschließung, nicht etwa der Zeitpunkt einer religiösen Trauung5.

Zum Anfangsvermögen zählen sämtliche Vermögenswerte abzüglich bestehender Verbindlichkeiten, also beispielsweise:

  • Bargeld und Kontoguthaben
  • Immobilien und Grundstücke
  • Wertpapiere und Aktien
  • Fahrzeuge
  • Unternehmen oder Unternehmensanteile
  • Wertsachen und Schmuck
  • Forderungen gegen Dritte

Wichtig zu wissen: Vermögenswerte, die ein Ehegatte während der Ehe durch Erbschaft, Schenkung oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht erhält, werden dem Anfangsvermögen hinzugerechnet und sind somit vom späteren Zugewinnausgleich ausgenommen2.

Endvermögen in der Zugewinngemeinschaft

Das Endvermögen umfasst praktisch alles, was einem Ehegatten bei Beendigung der Ehe als Eigentum zuzurechnen ist4. Der relevante Stichtag für die Ermittlung des Endvermögens ist gemäß § 1384 BGB der Tag, an dem der Scheidungsantrag dem Antragsgegner zugestellt wird, da zu diesem Zeitpunkt die Scheidung rechtshängig wird4.

Zum Endvermögen gehören – analog zum Anfangsvermögen – alle Vermögenswerte abzüglich der vorhandenen Schulden. Gemäß § 1375 BGB ergibt sich das Endvermögen eines Ehepartners aus dessen Vermögen zum Ende der Ehe abzüglich seiner zu diesem Zeitpunkt bestehenden Schulden4.

Es ist wichtig zu beachten, dass nur das Vermögen, das an jenem Stichtag existiert, für die Berechnung des Endvermögens maßgeblich ist4. Vermögensveränderungen, die nach der Zustellung des Scheidungsantrags erfolgen, bleiben grundsätzlich unberücksichtigt.

Berechnung des Zugewinns

Die Berechnung des Zugewinns folgt einer einfachen Formel: Endvermögen minus Anfangsvermögen ergibt den Zugewinn5. Diese Berechnung wird für jeden Ehepartner separat durchgeführt. Anschließend werden die Zugewinne beider Partner verglichen.

Der Ehepartner mit dem höheren Zugewinn ist verpflichtet, die Hälfte der Differenz als Zugewinnausgleich an den anderen Ehepartner zu zahlen5. Die Zugewinnausgleichsforderung wird in der Regel zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung fällig5.

Ist das Endvermögen eines Ehepartners geringer als sein Anfangsvermögen, wird sein Zugewinn mit null angesetzt – ein negativer Zugewinn ist nicht möglich4. Dies kann bedeutsam sein, wenn ein Ehepartner während der Ehe Schulden angehäuft hat oder Vermögenswerte verloren gingen.

Besonderheiten bei der Wertermittlung

Die Wertermittlung beim Zugewinnausgleich kann in der Praxis komplex sein, insbesondere wenn es um die Bewertung von Unternehmen oder Unternehmensbeteiligungen geht. Der Bundesgerichtshof (BGH) verlangt im Rahmen der Unternehmensbewertung beim Zugewinnausgleich, dass der „volle, wirkliche“ Wert eines Unternehmens ermittelt wird1.

Dies erscheint zunächst einleuchtend, doch in der Praxis stellt die objektive Wertermittlung eines Unternehmens häufig eine Herausforderung dar1. Der Gesetzgeber trifft in § 1376 BGB zwar abstrakte Regelungen zur Ermittlung des Anfangs- und Endvermögens, äußert sich jedoch nicht konkret dazu, wie der Vermögenswert eines Unternehmens zu berechnen ist1.

Welche Berechnungsmethode im Streitfall vor dem zuständigen Familiengericht Anwendung findet, entscheidet der Richter, der sich häufig auf das Gutachten eines Sachverständigen stützt1. Solange das Gericht nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt, ist es in der Wahl der Bewertungsmethode grundsätzlich frei1.

Die Bedeutung einer gründlichen Vermögenserfassung

Die Ermittlung der jeweiligen Vermögensstände zu den relevanten Stichtagen ist das „A und O“ des Zugewinnausgleichs5. Auf Basis der erteilten Auskünfte beider Ehepartner über den Stand ihres jeweiligen Vermögens wird der Zugewinnausgleich durchgeführt. Er ist im Grunde nur noch eine relativ einfache Berechnung auf Basis der ermittelten Daten5.

Umso wichtiger ist es, das Anfangs- und Endvermögen vollständig und korrekt zu erfassen. Beide Ehepartner sind verpflichtet, sich gegenseitig Auskunft über ihr Vermögen zu geben. Bei Unklarheiten oder Streitigkeiten kann das Gericht Sachverständige hinzuziehen oder weitere Nachweise verlangen.

Fazit

Die Wertermittlung im Rahmen des Zugewinnausgleichs ist ein komplexer, aber entscheidender Prozess bei der Scheidung von Ehepaaren, die im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben. Eine gründliche Kenntnis der rechtlichen Grundlagen und eine sorgfältige Dokumentation des Vermögens können dazu beitragen, unnötige Streitigkeiten zu vermeiden und einen fairen Ausgleich zu ermöglichen.

Für Betroffene empfiehlt es sich, frühzeitig fachkundige rechtliche Beratung in Anspruch zu nehmen, um die eigenen Rechte zu wahren und Vermögenswerte korrekt bewerten zu lassen. Alternativ können Ehepaare auch vor der Eheschließung durch einen Ehevertrag individuelle Regelungen treffen, die ihren persönlichen Bedürfnissen und ihrer finanziellen Situation besser entsprechen als der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft.

Citations:

  1. https://www.kanzlei-hasselbach.de/blog/unternehmensbewertung-scheidung-zugewinnausgleich/
  2. https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/eheliches-gueterrecht-36436
  3. https://www.anwalt.org/zugewinngemeinschaft/
  4. https://www.scheidung.org/endvermoegen-zugewinn/
  5. https://www.klaus-erfmeyer.de/de/rechtsanwalt/familienrecht/zugewinn-vermoegen/anfangsvermoegen-endvermoegen/
  6. https://www.rosepartner.de/unternehmenswert-zugewinn-scheidung-bewertung-unternehmen.html
  7. https://heyjura.de/definition/eheliches-gueterrecht-definition
  8. https://www.sparkasse.de/pk/ratgeber/familie/ehe-und-partnerschaft/gueterstand.html
  9. https://www.juracademy.de/familienrecht-erbrecht/zugewinnausgleich.html
  10. https://dskrpt.de/chapter/ecd1c4c1-af79-4ebf-9d92-02de1474eb8f/
  11. https://www.familienrecht-muenchen.de/Ehescheidung_in_Muenchen/Aktuelles/Die_verschiedenen_Gueterstaende_und_ihre_jeweiligen_Vor-_und_Nachteile
  12. https://www.familienrecht-andrae.de/zugewinnausgleich-bei-schulden-zum-zeitpunkt-der-eheschlie%C3%9Fung-anfangsvermoegen.html
  13. https://www.rosepartner.de/blog/zugewinn-immobilie-grundstueck-wert-scheidung.html
  14. https://www.steuerkurse.de/bgb/familienrecht/eherecht/eheliches-gueterrecht-1363-1563-bgb.html
  15. https://www.berliner-sparkasse.de/de/home/privatkunden/junge-kunden/we-are-family/gueterstand.html
  16. https://www.asp-rechtsanwaelte.de/anwalt-fuer-familienrecht-scheidungsanwalt/zugewinnausgleich/
  17. https://www.iww.de/fk/archiv/zugewinnausgleich-der-auskunftsanspruch-nach-1379-bgb-f30307
  18. https://www.familienrechtsinfo.de/gueterrecht/eheliches-gueterrecht/
  19. https://www.rosepartner.de/familienrecht/gueterrecht-gueterstand.html
  20. https://www.finanztip.de/zugewinnausgleich/

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